Der Nutzen der Telemedizin für Patienten, Gesundheitssysteme und die Gesellschaft


Telemedizin – die Erbringung von medizinischen Diensten über größere Entfernungen hinweg – kann dazu beitragen, die Lebensqualität vieler europäischer Bürger, von Patienten wie auch Angehörigen von Gesundheitsberufen, zu verbessern und die sich in den Gesundheitssystemen stellenden Probleme zu lösen. Die europäischen Bürger werden immer älter und leiden zunehmend an chronischen Krankheiten. Ihr Bedarf an medizinischer Versorgung wächst. Gerade in entlegenen Gebieten kann es vorkommen, dass keine medizinische Versorgung vorhanden ist oder dass bestimmte fachärztliche Dienstleistungen nicht so leicht oder so häufig verfügbar sind, wie dies der Gesundheitszustand der Bürger erfordern würde. So kann der Zugang zu fachärztlicher Versorgung in Gebieten mit Fachärztemangel oder mit schwer zugänglicher medizinischer Versorgung durch die Telemedizin erleichtert werden.
Chronisch kranke Menschen etwa können mit Hilfe des Telemonitoring ihre Lebensqualität verbessern und Krankenhausaufenthalte verkürzen. Dienstleistungen wie die Teleradiologie und die Telekonsultation können dazu beitragen, Wartelisten zu verkürzen, den Ressourceneinsatz zu optimieren und die Produktivität zu erhöhen.

Begriffsbestimmung
Unter Telemedizin versteht man die Bereitstellung von Gesundheitsdiensten mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologie für den Fall, dass der Patient und der Angehörige eines Gesundheitsberufs (bzw. zwei Angehörige eines Gesundheitsberufs) nicht am selben Ort sind. Voraussetzung ist eine sichere Übertragung medizinischer Daten und Informationen für die Prävention, Diagnose, Behandlung und Weiterbetreuung von Patienten in Form von Text, Ton und Bild oder in anderer Form.

Telemonitoring
Telemonitoring: eine riesige Chance für die Behandlung chronischer Krankheiten
Das Telemonitoring ist ein Dienst der Telemedizin zur Überwachung des Gesundheitszustands von Patienten. Die Daten werden entweder automatisch mit Hilfe von patienteneigenen Geräten für die Gesundheitsüberwachung oder durch die aktive Mitarbeit von Patienten erhoben (indem diese z. B. täglich ihr Gewicht oder den Blutzuckerspiegel messen und mit Hilfe von Telematik-Werkzeugen eingeben). Sobald die Daten verarbeitet und weitergegeben wurden, können sie zur Optimierung der Überwachungs– und Behandlungsprotokolle des Patienten eingesetzt werden.
Besonders hilfreich ist das Telemonitoring bei chronisch kranken Personen (die z. B. unter Diabetes oder chronischer Herzinsuffizienz leiden). Viele dieser oft älteren Patienten müssen aufgrund der langen Krankheitsdauer, ihres Gesundheitszustands und der ihnen verordneten Arzneimittel regelmäßig überwacht werden. Das Telemonitoring nützt nicht nur den Patienten, sondern bietet auch den Angehörigen von Gesundheitsberufen Vorteile. Sein Einsatz ermöglicht es, Symptome und anormale medizinische Parameter früher festzustellen als erst bei einer Routine- oder Notfalluntersuchung, und Gegenmaßnahmen zu ergreifen, bevor schwerere Komplikationen auftreten. Es kann den Patienten auch ermöglichen, Gesundheitseinrichtungen weniger häufig aufzusuchen und so ihre Lebensqualität erhöhen.

Teleradiologie: ein Weg für den optimalen Einsatz knapper Ressourcen
Die Teleradiologie ist ein Dienst der Telemedizin, bei dem radiologische Aufnahmen zwischen verschiedenen Standorten zum Zweck der Auswertung und Konsultation elektronisch übertragen werden. Die Teleradiologie entstand mit der schrittweisen Digitalisierung der bildgebenden Verfahren in der Medizin. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch gut strukturierte  Berufsverbände und die frühzeitige Festlegung von Normen. Mit Hilfe der Teleradiologie sind die Einrichtungen des Gesundheitswesens in der Lage, Spitzenbelastungen zu bewältigen, einen Rund-um-die-Uhr-Dienst anzubieten, die Wartelisten für bestimmte Untersuchungen zu verkürzen und vor allem Kosten zu sparen.

Auschnittweise zitiert nach :

European Commission – Information Society. Artikel

„Ambient Assisted Living“ Positionspapier des Verbands der Elektrotechnik zum Telemonitoring


„Ambient Assisted Living“ (AAL) nennen Experten des Verbands der Elektrotechnik (VDE) den Einsatz von Informationstechnik im Häuslichen Umfeld mit dem Ziel, alten und kranken Menschen den Heimaufenthalt zu ersparen.

Dabei geht es sowohl um Telemonitoring, als auch um häusliche Notrufsysteme, aber auch um die zentrale Steuerung der Haustechnik per Fernbedienung. An Schwerpunkten werden genannt:

1. Gesundheit & HomeCare

Gesundheitsvor- und –fürsorge (Prävention, Telemonitoring, Tele-Reha, Pflege- und Sozialdienste)

Wichtige Volkskrankheiten (z. B. metabolische Erkrankungen, kardiovaskuläre und onkologische Erkrankungen)

Spezifische Erkrankungen einer alternden Bevölkerung (z. B. muskulo-skeletale und neurologische Erkrankungen).

2. Sicherheit & Privatsphäre

Alarmfunktionen (z. B. Feuer, Wasser, Gas)

Notruf, Zugangsberechtigung

fehlbedienungssicherer Geräte (Ein-Knopf-Bedienung)

Das Thema Sicherheit umfasst hier die Begriffe „Safety & Security“.

3. Versorgung & Hausarbeit

Versorgung mit Bedarfsgütern über Lieferservices

Reinigung (selbstreinigende Geräte, autonomer Staubsauger, Nano-Partikel-beschichtete Fenster, Robotik …)

benutzergerechte Alltagstechnik zu Hause und unterwegs (Video, PC, Weiße Ware,…)

Domotik (Gebäudeautomatisierung, Energie)

4. Soziales Umfeld

Freizeitgestaltung (organisieren, kommunizieren, lernen …)

Kommunikationsnetzwerke und soziale Integration (Familie, Freunde, soziale Einrichtungen, Nachbarschaftshilfe, Ehrenämter)

Mobilität (Nahfeld: Treppenlifte, Transportroboter)

Vorsorge (Bewegung, Ernährung)

Ernährungsmonitoring (Übergewicht, Fehlernährung, Essstörungen, Dehydrierung)

Wohlbefinden und Wellness (Service-Wohnen, Komfort)

Wie das genau aussehen könnte, wird in einem virtuellen Zukunftsszenario dargestellt. Mir als Arzt fällt dabei auf, dass in dem genannten Anwendungsfall offenbar von völliger geistiger Frische des alten Menschen ausgegangen wird. Ein an Demenz erkrankter alter Mensch (z.B. Alzheimer) wird kaum mit der geschilderten technischen Umgebung zurechtkommen.

Das Thema ist immerhin wichtig genug, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der VDE vom 3. bis 4. Februar 2009 gemeinsam den zweiten deutschen Kongress „Ambient Assisted Living in Berlin ausrichten.

Verlangt werden unter anderem Studien zum Thema, die den finanziellen Nutzen von AAL Projekten zeigen sollen. Dabei geht es nicht nur um die Einsparung der Kosten für einen Heimaufenthalt, die Erwartungshaltung geht auch hin zur allgemeinen Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Offenbar möchte man die Zahl der Notfalleinsätze, Klinikeinweisungen und Arztbesuche verringern und dadurch die Kosten reduzieren.

Thema des oben genannten Kongresses sollen vor allem Anwendungsfälle werden und genau das scheint mir zentral, bleiben doch eine ganze Reihe von Fragen zu klären: Wer genau übernimmt die juristische Verantwortung, wenn ein direkter Arzt-Patienten Kontakt nicht stattfindet? Wer übernimmt die Kosten eines solchen Heimnetzwerkes und gibt es in der Bilanz überhaupt eine Einsparung? Der größte Teil der oben geschilderten technischen Leistungen dürften kaum zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden. Aus meiner Sicht gibt es hier noch viel Diskussionsbedarf.