Der mögliche Nutzen elektronischer Patientenakten am Beispiel Kindesmißbrauch


Ein sehr interessanter Artikel beschäftigt sich mit einer neu erschienenen Studie, bei der versucht wurde, anhand von elektronischen Akten Risikopatienten für häuslichen Kindesmißbrauch zu identifizieren. Mit ansehnlichen Ergebnisssen. Hierzu heisst es in dem Artikel:

Elektronischen Patientenakten wird gerne nachgesagt, dass sie einen unbändigen Datenhunger entfachen würden. Jetzt haben Kinderärzte Appetit bekommen und versucht, anhand von E-Akten Risikopatienten für häuslichen Missbrauch zu identifizieren. Es funktioniert.

Im Allgemeinen gelten eine effiziente Archivierung und die rasche Wiederauffindbarkeit von relevanten Dokumenten als die beiden Kernargumente für die elektronische Dokumentation im Gesundheitswesen. Patientenindividuelle Datensammlungen können freilich noch viel mehr: Insbesondere dann, wenn sie einigermaßen vollständig sind, können sie als Grundlage für automatische Auswertungen herhalten. Solche Lösungen erleichtern es dem Arzt, Patienten zu identifizieren, die für bestimmte Therapiemaßnahmen in Frage kommen.

Teils  ist das längst Realität. So stellen diverse Praxis-EDV-Hersteller Software-Module zur Verfügung, die es dem Arzt erlauben, Patienten zu identifizieren, die beispielsweise für ein Disease Management-Programm oder für einen extrabudgetären Vertrag in Frage kommen. Auch diagnostisch ausgerichtete IT-Lösungen gibt es, die im simpelsten Fall bei auffälligen Laborkonstellationen warnen. Der aktuelle Versuch geht aber deutlich weiter.  In einer Studie haben sie untersucht, ob sich über die Jahre hinweg aus den elektronischen Daten von Patienten mit Hilfe eines Algorithmus vorhersagen lässt, wer möglicherweise Opfer von häuslichem Missbrauch ist oder wer Gefahr läuft, zum Missbrauchsopfer zu werden.

Weiter heisst es:

So konnte bei der Vorhersage von späteren Missbrauchsdiagnosen eine Sensitivität von knapp 90 Prozent erzielt werden, wenn zwanzig Prozent Fehlalarme akzeptiert wurden. Bei einer Toleranzgrenze von 15 Prozent Fehlalarmen betrug die Sensitivität noch rund 80 Prozent. Im Mittel gelang die Risikozuordnung dabei 10 bis 30 Monate vor der tatsächlichen Missbrauchsdiagnose. Das ist für einen ersten Anlauf schon ganz ordentlich.

Der Autor weist aber auf mögliche ethische Probleme hin. So sagt er:

Das stimmt einerseits. Andererseits stellen sich bei der gewissermaßen industrialisierten Vorhersage von häuslichem Missbrauch natürlich ethische Fragen, die sich bei der Identifizierung von DMP-Kandidaten oder auch von Patienten mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko so nicht stellen. Die „Verdachtsdiagnose“ Missbrauch stigmatisiert nicht nur den Patienten, sondern auch dessen Familie. Wenn sie im Einzelfall falsch ist und diese Falschinformation – zum Beispiel aufgrund schlecht gesicherter IT-Systeme – in die Hände Dritter gelangt, kann das erheblichen menschlichen Schaden anrichten. Zwar gibt es solche Konstellationen auch heute schon. Nobelpreisträger Harald zur Hausen beispielsweise warnte kürzlich seine Kollegen davor, bei jungen Mädchen mit Genitalwarzen reflexartig an Missbrauch zu denken.

Die elektronsiche Akte bleibt also ein Instrument in den Händen von Ärzten und nur Ärzten.

„Krankenversichertenkarte erfüllt nicht die heutigen Datenschutzstandards“


so die BITKOM, der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM). Gemeint ist die alte KVK, die bisherige Krankenversicherungskarte.Der BITKOM zufolge ist es höchste Zeit, die alte Krankenversichertenkarte abzuschaffen, da sie nicht die heutigen Datenschutzstandards erfülle. Aufgrund mangelnder Datenverschlüsselung lassen sich die Karten mit einem handelsüblichen Lesegerät ohne weiteres auslesen. Statt einem Speicherchip enthält die elektronische Gesundheitskarte einen Mikroprozessor, der die verschlüsselte Speicherung der Daten ermöglicht.

Die Bitkom weist darauf hin, dass mit der Gesundheitskarte  Patienten selbst entscheiden können, wer ihre medizinischen Daten einsehen darf. Ärzte haben dann nur nach Freigabe durch die Patienten Zugriff auf die Daten, Notfalldaten ausgenommen.

Quelle

Europaticker

„Deutschland braucht eine Telematikinfrastruktur“ – Text des neuen Koaltionsvertrages im Wortlaut


so steht es im neuen Koalitionsvertrag. Im einzelnen kann man folgendes zum Thema Gesundheitskarte lesen (ab Zeile 4136):

Telematikinfrastruktur

Deutschland braucht eine Telematikinfrastruktur, die die technischen Voraussetzungen dafür schafft, dass medizinische Daten im Bedarfsfall sicher und unproblematisch ausgetauscht werden können.

Die Arzt-Patientenbeziehung ist ein besonders sensibles Verhältnis und daher ausdrücklich zu schützen. Datensicherheit und informationelle Selbstbestimmung der Patientinnen und Patienten sowie der Versicherten haben für uns auch bei Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte höchste Priorität.

Vor einer weitergehenden Umsetzung werden wir eine Bestandsaufnahme vornehmen, bei der Geschäftsmodell und Organisationsstrukturen der Gematik und  ihr Zusammenwirken mit der Selbstverwaltung und dem Bundesministerium für  Gesundheit, sowie die bisherigen Erfahrungen in den Testregionen überprüft und  bewertet werden. Danach werden wir entscheiden, ob eine Weiterarbeit auf Grundlage der Strukturen möglich und sinnvoll ist.

In den Tagen zuvor war in der Presse noch von einem Stopp der Gesundheitskarte die Rede. Der oben zitierte Text aus dem Koalitionsvertrag dagegen klingt nicht nach einem Ende der eGK, sondern nach einer Überprüfung der Organisationsstrukturen.

Wie in einem anderen Artikel von mir erwähnt, ist eher die Organisationsstruktur das Problem. Ich hatte kritisiert, dass z.B. KV und Ärztekammer als Gesellschafter der gematik auftreten, aber andererseits bislang zumindest in Teilen gegen das Projekt sind. Der Text des Koalitionspapiers scheint klar zu stellen, dass man sich des Problems bewußt ist, um es vorsichtig auszudrücken.

Es geht nicht mehr darum, ob eine Telematikinfrastruktur im Gesundheitswesen kommt, sondern  nur noch darum, wie genau. Aus meiner Sicht deutet somit nichts auf ein Ende der Gesundheitskarte hin, sehr wohl aber einiges darauf, dass nun die Organisationsstrukturen effizienter werden.

Quelle: Bild.de kompletter Text des Koaltionsvertrages

Kammer gibt Widerstand gegen eGK auf


Die Ärztekammer Nordrhein will das Projekt der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) nicht länger bremsen: Noch im März hatte die Kammer den Ärzten öffentlich empfohlen, keine Lesegeräte für die neue Karte anzuschaffen – während ihrer gestrigen Sitzung zogen die Vorstandsmitglieder diese Empfehlung jedoch zurück.

Gegen diesen Antrag hatten sich die Vertreter der Freien Ärzteschaft und der Fraktion Freie Selbstverwaltung ausgesprochen. Die Vertreter von Marburger Bund und der Fraktion VoxMed überstimmten sie jedoch.

Mein Kommentar hierzu: absolut überfällige Entscheidung! Es geht nicht an, dass die Ärztekammer einerseits als einer der Gesellschafter der gematik für die Einführung der Telematik steht, andererseits aber dagegen ist. Außerdem gleicht der Versuch, die eGK zu verhindern, dem Versuch 1980 das Internet zu verhindern: die Telematik im Gesundheitswesen kommt ohnehin, die Frage ist nur ob wir die Inhalte mitgestalten, dabei durchaus aufgefordert sind, kritisch zu sein, oder ob sie ohne unsere Mitarbeit kommt. Dann dürfen wir uns aber nachher nicht beschweren, wenn die Dinge nicht so laufen, wie sie könnten. Die Ärzteschaft ist seit Jahren aufgefordert mitzuwirken, das heisst mitzugestalten. Ansonsten werden die Dinge ohne die Ärzteschaft entschieden.

Quelle:

Arzt am Abend

Erfahrungen mit der Installation eines neuen stationären Kartenlesegerätes (Hypercom medcompact slot) 2. Teil


Technik

Foto: flickr creative commons Autor: rofi

Den ersten Teil der Artikelserie finden Sie hier.

Ich hatte von Anfang an in der Praxis eine heftige Verzögerung beim Einlesevorgang einer KVK (Krankenversicherungskarte, also alte „Chipkarte“ eines Patienten) beobachtet. Zwar gab es keinerlei Fehlermeldungen und das Einlesen einer KVK war möglich, dauerte aber satte 30 bis 35 Sekunden. Verwendet wird ein terminal server 2003, das PVS ist MCS ISYNET, der client ein älterer Rechner mit einem Celeron 2,67Ghz unter Win 98 second edition mit 256Mbyte RAM, mehr wird unter terminal server auch nicht gebraucht.

Die folgende Fehlersuche gestaltete sich sehr aufwendig. Nach Kontaktaufnahme mit einem Entwickler der MCS AG in Eltville, der sich die Mühe machte, unser System naturgetreu nachzubauen, also Server unter terminal server 2003, alten client mit alten Win98 second edition Betriebssystem etc. nachbaute (!) um mir bei der Fehleranalyse zu helfen, weiterhin einem Kontakt zum Hersteller Hypercom gab es zunächst Überraschungen: der Fehler lies sich nicht reproduzieren, beim Nachbau-System lief der ganze Einlesevorgang in 5 Sekunden (eGKG rund 6-8 Sekunden) ab, eine genauere Untersuchung meines Systems zeigte dann, dass das eGK Lesegerät richtig eingestellt war, die COM Schnittstelle korrekt auf 115200 baud eingestellt war, alle Treiber richtig eingestellt etc.

Alles schien zu stimmen, dennoch gab es scheinbar unerklärlicherweise die Verzögerung beim Einlesevorgang in  meinem System, nicht jedoch beim „Nachbau“ des Systems beim Entwickler in Eltville.

Wie bekannt,  ist ein alternativ denkbarer Anschluß über USB unter terminal server 2003 nicht möglich bzw. erschwert, da USB vom client nicht an den Server durchgeschliffen wird, dies ist erst unter terminal server 2008 möglich.

Nach anfänglicher Ratlosigkeit fand sich dann aber eine überraschende Ursache für die Verzögerung: die COM Schnittstelle.

Zwar war diese  ordnungsgemäß auf die maximale Baudzahl eingestellt, 115200 baud,  hatte aber kein FIFO (Informationen hierzu: Wiki, auch hier), da es sich um ein älteres Modell handelte. Überraschenderweise war im Nachbau in Eltville weder der alte client, noch dessen RAM, noch win 98 ein Problem gewesen, selbst damit lief alles problemlos.  Den entscheidenden Satz:

Schnittstellen ohne FIFO sollten mit maximal 19200 baud betrieben werden. Da die Geschwindigkeit auf der seriellen Schnittstelle höher sein sollte als zwischen den Modems, ist für schnelle Modems eine Schnittstelle mit FIFO erfoderlich.

fand ich bei dieser Quelle. Die COM Schnittstelle muß für den Betrieb  aller eGK Leser auf die Maxmalgeschwindigkeit von 115200 eingestellt werden, also ein vielfaches davon.

Eine nähere Betrachtung zeigte dann auch, dass die fragliche COM Schnittstelle ein älteres Modell ohne FIFO war, das für den Betrieb in dieser Geschwindigkeit schlicht nicht geeignet ist. In einer ersten Fehlerbehebung verbanden wir das Lesegerät unter ansonsten identischen Bedingungen mit einem glücklicherweise zur Verfügung stehenden zweiten Arbeitsplatz, dessen Schnittstelle FIFO fähig ist und fanden das Problem beseitigt.

Die alten Kartenleser waren hiervon nicht betroffen, das diese in wesentlich niedrigerer Geschwindigkeit betrieben werden konnten, der Fehler also nie auftreten konnte.

Nun konnte eine  KVK in etwa 5 Sekunden, eine Test-eGK in 6-8 Sekunden eingelesen werden, also exakt die Zeiten, die der hilfreiche Entwickler von MCS in Eltville im Testsystem darstellen konnte.

In einem zweiten Schritt werde ich in dem alten Rechner die alte on-board COM Schnittstelle durch eine moderne Schnittstellenkarte mit COM ports ersetzen, die FIFO fähig sind um damit den Gegentest zu machen. Dann müßte auch auf dem alten Rechner alles normal laufen.

Ich werde dazu an dieser Stelle neu berichten.